|
(pm) Die Stadträte der Nürtinger Liste / Grüne Dieter Braunmüller, Hildegard Biermann-Mannsfeld, Regine Glück, Helmut Püschel und Peter Rauscher weisen die ihnen gegenüber erhobenen Vorwürfe wegen „undemokratischen Verhaltens“ entschieden zurück. Die Nürtinger Zeitung schreibt im Bericht über die Pressekonferenz zur geplanten Bebauung durch die Firma Boss vom 23.2.08: „Kritik übte der Rathauschef am undemokratischen Verhalten einzelner Gemeinderäte, die mit ihren Aussagen dem Ansehen der Stadt schaden würden“. Die Stuttgarter Zeitung berichtete: „Der Schutzgemeinschaft und den Grünen Stadträten warf Heirich vor, mit ihrem Widerstand der Stadt ‚ganz massiv‘ zu schaden“.
Es trifft zu, dass der Große Forst im Flächennutzungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesen ist. In unserer Verantwortung als gewählte Gemeinderäte halten wir es für unumgänglich, ein vor Jahren ausgewiesenes Gewerbegebiet im Vorfeld einer nach so langer Zeit nun konkret anstehenden Entscheidung daraufhin zu überprüfen, ob der Beschluss auch unter heutigen Bedingungen tragbar ist oder ob sich eventuell wichtige Rahmenbedingungen geändert haben, die es nahe legen, den damaligen Beschluss zu revidieren.
Ist es undemokratisch, Bürgerinnen und Bürger zu informieren, sie nach ihrer Meinung zu befragen und im Gespräch Positionen zu entwickeln? Wem wird damit Schaden zugefügt? Sowohl das Leisten von Unterschriften, um eine Meinung zu bekunden, als auch die Teilnahme an öffentlichen Demonstrationen ist zutiefst demokratisches Verhalten. Inzwischen liegen mehr als 3000 Unterschriften allein von Nürtinger Bürgern vor. Nahezu 3000 Menschen haben ihrer Meinung durch die Teilnahme an der Menschenkette Ausdruck verliehen. Sind diese Bürger "irregeleitet" oder manipuliert worden? Die Antwort erübrigt sich gerade in einer Kommune, die zurecht ihre bürgerschaftliche Orientierung als Auszeichnung und Standortvorteil begreift. Ist es undemokratisch, sich dagegen zu verwahren, dass der OB einige ausgewählte Stadträte vor wichtigen Beschlussfassungen mit Hintergrundswissen versorgt hat und dass der Rest der Stadträte und die Bevölkerung in Unwissenheit gehalten wurde? Ist es undemokratisch, Äußerungen des Vertreters der Firma Boss zurückzuweisen, der das Vorgehen der demokratisch gewählten Stadträte in Wendlingen als „Kasperletheater“ abtut?
Wir wollen nicht verschweigen, dass es uns Mut gekostet hat, mit der von uns öffentlich vertretenen Meinung zugleich Position gegen möglicherweise zu schaffende Arbeitsplätze zu beziehen. Aber: Rechtfertigt das Argument "Arbeitsplätze“ diese Industrieansiedlung ohne Wenn und Aber? Um die Interessen der Bürgerschaft demokratisch zu vertreten, gilt es in jedem einzelnen Fall abzuwägen zwischen neu entstehenden Arbeitsplätzen (in ungewisser Zahl) und unseren letzten hochwertigen landwirtschaftlich genutzten und nutzbaren Flächen. Letztere sind ein Gut, das nicht vermehrbar und, ist es einmal überbaut, nie wieder her zu stellen ist.
Es ist legitim und in einer Demokratie selbstverständlich, auch in wichtigen Angelegenheiten konträre Meinungen zu vertreten. Es ist jedoch kein guter Stil, Mitgliedern des Gemeinderates, die eine andere Meinung vertreten, die diese begründen und auch öffentlich dazu stehen, vorzuwerfen, sie verhielten sich undemokratisch und fügten der Stadt Schaden zu. Unser Verhalten ist allenfalls ungewöhnlich, weil wir die Bevölkerung über die Vorgehensweise und den Sachverhalt informiert haben.
Demokratie heißt für uns, Entscheidungen transparent zu treffen. Das Gebot der Transparenz gilt auch für die hier zugrunde liegenden Fakten und Rahmenbedingungen, auf deren Basis eine verantwortliche Entscheidung erst getroffen werden kann. Nur so wird Demokratie mit Leben gefüllt.
|